Im KI-LAB unserer Hochschule beschäftigen wir uns bewusst experimentell mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Bildung. Dabei geht es uns vor allem darum, praktische Ansätze zu finden und diese offen miteinander zu teilen und weiterzuentwickeln. Getreu unserem Purpose: Wir verbinden so, dass Entwicklung spielt.

Da erreicht mich ein Beitrag von Christof Arn – eine Art Einladung zum Mittun, eine Detektivaufgabe. Aber lesen Sie selbst.

Einen kurzen Text habe ich gemacht dazu, wie man das didaktische Dreieck zu einem didaktischen Tetraeder upgraden kann: tsri.ch/a/agil-ist-nicht-beliebig-bildung-die-ziele-erreicht . Jetzt möchte ich einen dazu schreiben, was es bedeutet, das didaktische Dreieck zu einem didaktischen «Zweieck» – was für ein geometrisches Unding – downzugraden.

Sie sehen: Ich finde das «didaktische Dreieck» faszinierend – weil ich der Meinung bin, dieses Modell würde ob seiner grauen Schläfen unterschätzt. Es ist nämlich viel ambitiöser als es aussieht, vielleicht sogar ein bisschen revolutionär, hat es aber doch in viele sozusagen «ganz normale» Lehrbücher der Pädagogik oder Didaktik geschafft.

Abbildung: Kurz gekritzelt, worüber wir hier schreiben.

Spurensuche

Also, das didaktische Dreieck ist brisant – und alt zugleich. Wie alt eigentlich? Oder, noch genauer gefragt: Wer hat es wann genau erfunden?

Ich gehe also den Quellen nach, die im Wikipediaartikel angegeben werden, beschaffe mir antiquarisch das angegebene Werk von Herbarth, Original war 1804. Und finde dort … nirgendwo ein Dreieck – wobei: der Geist des Dreiecks ist da, aber so richtig als Ursprung des didaktischen Dreiecks kann man das nicht bezeichnen, wo kein Dreieck ist, würde ich sagen. Auch die anderen Quellen ,die ich in der Wikipedia finde oder beim lockeren Suchen mit den traditionellen Suchmaschinen, bringen mich nicht weiter.

Jetzt kommt die sogenannte KI ins Spiel: «Wo taucht das didaktische Dreieck zuerst auf?» prompte ich auf perplexity.ai. Das Resultat findet man über diesen Link: perplexity.ai/search/wo-taucht-das-didaktische-drei-M4PTq3iWSVqXRXy9fl5tyg . Hier kommt wieder der Herbart, der übrigens wirklich toll ist, so richtig «Entwicklungsorientierte Bildung» würde ich sagen. Aber eben kein Dreieck dort, auch die von perplexity genannte Triade von «Lehrer, Schüler, Stoff» finde ich in Herbarts Texten zwar dem Geist nach, aber nicht in einem Satz, nicht einmal als Kernaussage eine Abschnitts. Also: Die sogenannte KI ist halt nicht besser als das, was sonst so geschrieben wird.

Besser sind allerdings jetzt auf perplexity.ai die Quellenangeben. Unter den Quellen finden sich einige, die ich beim selbst Recherchieren nicht gefunden habe. Perplexity «recherchiert» besser als ich, da will ich lernen, ein guter Verlierer zu sein.

Blöd ist nur: Laut perplexity-Text hat Paul Heimann (1901–1967) das didaktische Dreieck erfunden – nur gerade von ihm ist keine Quelle angegeben. Hingegen ist eine Quelle angegeben, die sagt, Paul Heimann hätte das didaktische Dreieck erfunden, aber auch dort wird nicht gesagt, in welchem Buch oder Artikel er das publiziert hätte, nur ein andres Buch wird als Quelle angegeben, in dem logischerweise dann also Paul Heimann erwähnt werden müsste. Ich beschaffe mir also das angegebene Buch «Unterricht – Analyse und Planung» antiquarisch und … wieder keine Dreieck-Quellenangabe drin!

Aber eben: Den Tipp «Paul Heimann» hätte ich ohne sogenannte KI nicht gefunden, und auch ein paar andere Quellen nicht. Letztlich habe ich nämlich gesehen, dass das didaktische Dreieck in verschiedenen Lehrbüchern vorkommt, aber, bisschen peinlich: Jeweils ohne Quellenangabe. Tja.

Mitsuchen!

Jetzt mache ich es so: Ich mache diesen Blogbeitrag auf Social Media publik und frage herum, wer etwas über den Ursprung des didaktischen Dreiecks weiss. Den Tipp auf Paul Heimann lege ich bei. So kombinieren wir sogenannte künstliche Intelligenz mit menschlicher Intelligenz. Ich denke, das ist und bleibt das Beste.

Wenn wir schon dabei sind: Warum schreibe ich konsequent «sogenannte» künstliche Intelligenz? Der Grund ist: Hier ist keine Intelligenz. Hier ist ein – enorm schlau gebauter – Algorithmus, der «Wörter würfelt». Eine sogenannte «KI» «weiss» nämlich nicht, was sie «schreibt». Eine sogenannte KI ist ein Zufallsgenerator von Wortreihen, der allerdings anhand von seeeeeehr viel Text optimiert wurde. Es ist nicht mehr einfach «beliebiger» Zufall, welches das nächste Wort ist, sondern es ist eine Wahrscheinlichkeitsberechnung: Was ist, wenn man all die «Wörterreihen» als die man ja jeden Text auch ansehen kann, die es im Internet gibt, wohl die wahrscheinlichste Wörterreihe, die sich an einen Prompt (also eine «Frage«, die man an eine KI stellt) anschliessen würde? Mehr ist da nicht – aber das machen diese Large Language Model inzwischen wirklich sehr gut.

Künstliche Intelligenz gibt es so wenig wie die «Cloud». Auch «Cloud» ist eine irreführende Bezeichnung. Man kann eigene Dateien nicht in einer «Cloud» speichern. Wer Daten in einer «Cloud» speichert, speichert einfach die eigenen Daten auf einer «fremden Festplatte». Mehr ist da nicht. Und das würde sich wohl schlechter verkaufen, wenn man es so direkt sagen würde, was es ist. Denn dann ginge wohl manche:r lieber zu einem inländischen Anbieter oder hätte eine ganz eigene «Cloud», wie das unsere Hochschule für agile Bildung hat. Dann weiss man wieder ganz genau, auf welcher Harddisk die eigenen Daten sind, auch wenn man von überall her darauf zugreifen und Daten gezielt mit anderen teilen kann.

Apropos eigener PC: Man kann auch die sogenannte KI auf dem eigenen PC laufen lassen! Das liegt daran, dass viele der sogenannten KIs, oder eben genauer gesagt: viele der Large Language Models (LLM) sind Open Source. Sogar das berühmt gewordene Chinesische LLM mit Namen «Deepseek» kann relativ einfach auf dem eigenen Rechner installiert werden, oder, was man vielleicht besonders empfehlen könnte, das LLM «Mistral» aus Frankreich. Los gehts: herunterladen, auf dem eigenen Rechner installieren, und die eigenen Daten verlassen den eigenen Rechner nicht mehr. Man muss keinem Anbieter mehr «vertrauen», und kann sogar offline KI nutzen! Interessanterweise lässt sich also das gesamte Wörter-aneinander-Reihungs-Wahrscheinlichkeits-System auf etwa 3 Gigabyte reduzieren – und das hat auf den meisten PCs locker Platz. Braucht dann, wenn man promptet, bisschen Rechnerleistung, aber ist einen Versuch wert. Ich werde in einem nächsten Blogartikel berichten, wie ich das mit einer Speech-to-Text-»KI» gemacht habe und wie ich die «Halluzinationen» losgeworden bin. – Aber zuerst will ich wissen: Wer hat wann das didaktische Dreieck erfunden?

PS: Sogenannte KI ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Technik bisweilen besser weiterentwickelt, wenn nicht Patente das behindern. Wenn fortlaufend öffentlich ist, wer was entdeckt hat, freigegeben zur Nutzung aller, finden sich fortlaufend Leute, die in Arbeitszeit oder Freizeit daran weiterarbeiten. So setzen sich grosse Erfindungen wie die sogenannte «KI» aus einer Vielzahl von Teilschritten zusammen, die in schneller Folge aufeinander aufbauen. Macht schon im Prozess Freu(n)de.