Ausgehend von dem Dreistrangkonzept einer differenzierten Lernumgebung in konkreter Anwendung an einer bestimmten Berufsfachschule habe ich diesen Post auf Linkedin mit den Lernenden kreiert: 🤔Was passiert, wenn Lernende ihren Prüfungstermin im Berufskundeunterricht selbst festlegen?
Dominic Hassler auf Linkedin kommentierte dann so:
Hier also der Beitrag:
Voraussetzungen Berufskunde FaBe sBK, zweites Lehrjahr, 30 Lektionen im 2. Quartal
In der spezifischen Berufskunde im Bereich FaBe (Fachrichtung MmB) wird im zweiten Quartal des zweiten Semesters im Umfang von 30 Lektionen das Thema Assistenz nach Theunissen bearbeitet. Es geht darum, dass die Lernenden das Konzept vom Theunissen und die Assistenzformen kennen und diese auf konkrete Praxis übertragen. In den 30 Lektionen sind drei Phasen zu durchlaufen. Erstens eine Standortbestimmung, zweitens wird Fachlichkeit erarbeitet theoretischen Aspekte und drittens wird Wissen, Können und Entwicklungsnachgewiesen.
Organisatorische Rahmenbedingungen
Die Lernenden legen in diesem Unterricht selbst fest, ob sie an der Schule arbeiten, ob sie ausserhalb der Schule arbeiten oder ob sie ihre Arbeitszeiten ins Home-Office verlegen. Vor jedem Unterricht gemäss Stundenplan geben die Lernenden ihren Arbeitsort verbindlich an in der Wer-arbeitet-Wo-Liste.
Die Lehrperson ist an den angegebenen, geplanten Unterrichtseinheiten immer im Schulzimmer vor Ort erreichbar. Die Lernenden können die Lernberatung vor Ort nutzen, mitunter sind auch Anfragen per Mail oder – bei mehr Erfahrung der Lernenden – auch Onlinetreffen möglich.
Die Lernenden tragen weiter die Verantwortung, den Termin für den Leistungsnachweis 1 (Test) in Absprache mit der Lehrpersonen festzulegen. Die Lehrpersonen schlägt geeignete Daten vor. Bedingung ist, dass der Leistungsnachweis 1 erst absolviert werden muss, bevor die Lernenden in die Arbeitsphase für den Leistungsnachweis 2 eintreten. Ferner müssen beide Leistungsnachweise bis Ende des Quartals erfolgt sein.
FAQ
Wie wird der Unterricht in dieser Lernanlage organisiert?
Die Lernberatung bietet eine hervorragende Möglichkeit zu verstehen, wo die Lernenden gerade stehen, womit sie sich beschäftigen, welche Aspekte des Konzepts deutlich werden und wo sie anstehen. In den Lernberatungen können die Fragen den Lernenden zum Programm gemacht werden und ermöglichen der Lehrperson eine hervorragenden Einblick in die Bearbeitung und den Stand des Lernens der Lernenden: hier stellen gezielte Fragen an die Lernenden im Rahmen der Beratung das zentrale Werkzeug dar. Lernende lernen so zudem «Beratung» kennen. Lernende, welche die Lernberatung nie nutzen, werden von der Lehrpersonen aktiv angesprochen, um einen Eindruck in ihre Arbeiten zu erhalten. Eine weitere Möglichkeit ist die Dokumentation der Lernenden ihrer Lernschritte in digitaler Form und zwar so, dass sie der Lehrperson Einsicht in ihre Dokumentation gewähren (beispielsweise auf OneNote, Craft, etc.).
Welche Möglichkeiten haben die Lernenden festzulegen, wann sie wo arbeiten? Und wie kontrollierst du das?
Die Lernenden tragen sich jeweils vor dem Unterrichtstermin in einer Liste ein und geben an, ob sie im Schulzimmer arbeiten, ob sie an einem anderen Ort an der Schule arbeiten oder in der Nähe der Schule, oder ob sie von zu Hause aus arbeiten. Lernende, welche diese Angaben nicht machen, werden umgehend kontaktiert. Fehlt die Angabe in der Übersichtsliste, gilt der Unterricht als nicht besucht (= Absenz ohne Abmeldung). Ich gewähre den Lernenden bewusst die Möglichkeit, sich auch in diesen unterschiedlichen Arbeitsformen auszuprobieren und mache ihre Erfahrungen im Rahmen der Lernberatung zum Thema; also wie geschickt etwa ist die Wahl ihrer Arbeitsorte? Wie wirkt sich die Wahl der Arbeitsorte auf ihr Lernen aus? etc.
Wie gehen die Lernenden mit dieser Freiheit um?
Der Grossteil der Lernenden dreier Jahrgänge im Bereich FaBe kommt mit der gewährten Freiheit sehr gut klar! Ihre Einschätzungen decken sich mit den Einschätzungen der Lehrperson. Manche wählen bewusst das Klassenzimmer oder Räumlichkeiten in der Nähe des Klassenzimmers, um ungestört arbeiten zu können und die Lernberatung immer direkt zur Verfügung zu haben. Andere wählen sehr gezielt andere Arbeitsorte (Bibliothek, Cafés im Umfeld der Schule, den Zug oder das Home-Office). Etwa 20 % der Lernenden haben Mühe, für sich einen geeigneten Arbeitsort zu finden, viele davon wählen intuitiv zuerst das Zuhause als Arbeitsort. Häufig wird eigenen Angaben folgend, die Zeit da vor allem fürs Ausschlafen genutzt. Arbeiten für das Lernformat werden dann am Abend zuvor oder danach erledigt, mit Arbeitszeiten bis etwa 23 Uhr.
Wo sind die Grenzen der Freiheit? D.h. welche Vorgaben gibt es denn?
Es gelten auch in dieser Arbeitsform die bekannten Grundlagen, also Lehrvertrag und Schulordnung. Der Rest ist Vertrauenssache.
Wie gehen die Lernenden damit um, dass sie das in deinem Unterricht dürfen und in dem Unterricht anderer Lehrpersonen nicht?
Grösstenteils schätzen die Lernenden, dass es unterschiedliche Formen von Unterricht an der Berufsschule gibt. Und: Klar fliessen Ihre Einschätzungen auch zu Kolleg:innen, beispielsweise in dem die Lernenden offenere Unterrichtsszenarien auch mal anderen Lehrpersonen vorschlagen.
Wie gehen die anderen Lehrpersonen damit um?
Aufgrund des engen Austauschs in den Fachteams sehr positiv, allerdings sind viele Kolleg:innen mit solch «radikalen» Formen eher zurückhaltend.
Wie organisierst du die individuellen Prüfungstermine?
Wie in der üblichen Unterrichtsplanung auch schlage ich den Lernenden bestimmte Termine vor, die sinnvollerweise für den Test genutzt werden sollten. Diese orientieren sich am Prüfungskonzept und anderen Vorgaben der Schule. Allerdings haben die Lernenden auch die Möglichkeit, andere Termine ausserhalb dieser Vorschläge wahrzunehmen.
Lernende, welche ein Prüfungstermin wahrnehmen, absolvieren diesen Test, der etwa 20-30 Minuten dauert (schriftliche Prüfung) im Unterrichtszimmer. In dieser Zeit finden keine Lernberatungen statt.
Natürlich heisst das für mich, dass ich eine Vielzahl von Varianten für den Test im Vorfeld bereitstellen muss, was heute allerdings mithilfe von KI keinen all zu grossen Aufwand mehr darstellt. Die Rückgabe der Tests erfolgt dann, wenn alle Lernenden diesen absolviert haben.
Was machst du, wenn Lernende die Lernberatung nicht nutzen?
Das hängt von den Lernenden ab.
Lernende, welche mit dem Auftrag gut zu Rande kommen kann, müssen diese Lernberatung nicht nutzen wenn ich sehe, dass die Entwicklung ihrer Lernnachweise und Lernprodukte gut vorangeht. So kann es also sein, dass diese nur die Pflichtberatung nach der Standortbestimmung wahrnehmen und danach die Lernberatung nicht mehr nutzen. Diese Lernenden sehe ich dann anlässlich der Rückmelde- und Entwicklungsgespräche am Schluss des Quartals wieder.
Lernende, welche offensichtlich Schwierigkeiten zeigen im Lernprozess voranzukommen, werden von mir zu Lernberatungen aufgeboten. In diesem Lernberatungen wird dann der Fortschritt ihrer Arbeit festgestellt und wird das weitere Vorgehen diskutiert. Hier zeigt sich eindrücklich die Heterogenität der Klassen an der Berufsfachschule und die sehr unterschiedlichen Ausgangslagen und Skills von Lernenden. Dadurch wird Unterricht mit Passung für Lernende hergestellt.
Was machst du, wenn du merkst, dass die Lernenden nicht für den Themenbereich arbeiten?
Davon muss eigentlich ausgegangen werden. Es gibt eine Reihe von Lernenden, welche die offene Lernzeit in diesem Quartal manchmal für andere Aufträge schulischer Art nutzen, weil es sich im Rahmen der Realstrukturen, in denen sie sich befinden, sinnvollerweise bewährt. Diese Lernenden verfügen allerdings über ausgeprägte Kompetenzen beispielsweise in Planung und Zeitmanagement: Sie planen sich gewissermassen aus meinem Unterricht aus, um andere Aufgaben zu lösen und sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder in meinen Unterricht einzuplanen und dann die entsprechenden Arbeiten zu erledigen. Nur wenige Lernende benötigen hin und wieder einen Hinweis, ihre Arbeiten oder den Fokus auf diese Arbeiten zu legen.
Welche Erfahrungen machst du bezüglich dem «Ausnutzen» dieses Formats beispielsweise für private Zwecke?
Möglicherweise als angenehmer Nebeneffekt der Offenheit dieses Unterrichtes berichten Lernende sehr freimütig darüber, dass sie beispielsweise jeweils am Dienstag die Variante Homeoffice angeben und nicht vor Ort arbeiten, um auszuschlafen. Zumeist wird der Abend zuvor oder der Abend danach für die Arbeiten genutzt. Die Lernenden nutzen also die Möglichkeiten, der asynchronen Partizipation an diesem Unterricht und holen sich gezielt Lernberatung für die nächsten zu leistenden Schritte. Wann Sie diese allerdings ausführen, ist ihnen überlassen. Das dünkt mich entspricht unter anderem eine recht erwachsenen Herangehensweise.
Wie reagieren die Ausbildungsbetriebe auf diese Form des Unterrichts?
Erste Ausbildungsbetriebe reagieren relativ positiv auf diese Möglichkeiten, wenn die Lernanlage gut erklärt wird. Dabei muss betont werden, dass die zu leistende Arbeitszeit, gewissermassen also der Workload, von den Lernenden eingehalten wird und werden muss und in dieser Zeit auch die Vorgaben und Erwartungen an Lernende weiterhin bestehen. Sprich, da die Schulzeit in der Berufslehre als Arbeitszeit gilt, gelten auch damit verbundene Erwartungen an Lernende, deren Rechte und Pflichten.
Wie beurteilen die Lernenden dieses Format?
Die Reaktionen der Lernenden der letzten drei Generationen sind äusserst positiv. Die regelmässig durchgeführten Befragungen während dem Prozess in den strukturierten Fokusgruppengesprächen nach dem Prozess und in den Auswertungen nach der Durchführung dieses Quartals zeigen, dass die Lernenden es sehr schätzen, wenn sie ihre Arbeiten selbstständig planen können und ihnen Freiräume zugesprochen werden. Besonders betont wird die Verfügbarkeit der Lernberatung, weil die Lernende diese als extrem wichtig erachten um in ihrem Auftrag passend weiter zu kommen. Ebenfalls wird die Verpflichtung zu einzelnen Elemente wie der Angabe des Arbeitsortes oder der ein Angabe des Prüfungstermins als wichtig erachtet, weil so eine bestimmte Struktur eingefordert wird, welche einige Lernende als essentiell empfinden.
Wenige Lernende berichten davon, dass sie lieber in einem klassischen Unterrichtsformat unterwegs wären, weil sie sich so besser auf die Inhalte einlassen könn(t)en, weil sie darin geführt werden. Die Mehrheit der Lernenden gibt an, dass diese Möglichkeit, den Arbeits- und Lernort selbst zu bestimmen, eine Auflockerung des neun Lektionen langen Schultags darstellt, welche Ihnen sehr entgegenkommt. Allerdings wird auch die Notwendigkeit von Selbststeuerung, Selbstkontrolle und Planung betont, die für manche Lernenden eine grosse Herausforderung darstellt.
Was versteht man unter dem Dreistrangkonzept der differenzierten Lernanlage?
Das Strandkonzept einer differenzierten Lernanlage besteht aus drei strengen: den Erarbeitungsstrang. Hier wird wissen erarbeitet dem Umsetzungstrang. Hier wird dieses Wissen auf konkrete Situationen in der Praxis übertragen und letztlich dem Entwicklungsstand. Es geht um darum die Frage zu klären wie sich lernen der innerhalb dieser zehn Wochen in Bezug auf dieses Thema und sich selbst entwickeln. Das Dreistein Konzept wird in diesem Blog Beitrag hier näher erläutert.
Wie können situative Erfahrungen der Lernenden systematisch in den Unterricht integriert werden?
Weil der Umsetzungsstrang direkt die Praxis der Lernenden adressiert, ist die systematische Einbettung der situativen Erfahrungen von Lernenden automatisch gegeben. Dadurch entstehen auch auf der gleichen Ausgangslage sehr unterschiedliche Lernnachweise, die sich direkt mit der Praxis von Lernenden verbinden lassen.
Auf welche Weise verknüpft die Lernanlage theoretisches Wissen mit praktischer Anwendung?
In dem die Lernenden das zur Verfügung stehende Wissen für sich erarbeiten, darin aber kein umfassendes Wissen adressiert wird, sondern jene Aspekte aus dem Konzept von Theunissen herausgearbeitet werden, welche für die eigene Situation, die eigene Praxis jetzt gerade sinnhaft erscheinen und diese ganz konkret mit Umsetzung in der Praxis verbunden wird. Die Lernenden stellen diese Praxis an einem Beispiel dann eben vor, planen diese Arbeit und halten Rückschau im Rahmen einer Reflexion auf diese Praxis. Sie holen sich Feedbacks zu ihrer Planung und Umsetzung im Betrieb und in der Schule ein und thematisieren dann ebenfalls diese Rückmeldungen, welche in die Erarbeitung und Überarbeitung ihrer Lernprodukte eingehen.
Wie unterstützt das Konzept der entwicklungsorientierten Bildung die Selbstbestimmung der Lernenden in diesem Unterricht?
Die Entwicklung der Lernenden während dieser zehn Wochen wird in der Lernberatung direkt zum Thema gemacht und ist auch Teil der Beurteilungsgesprächs, besser: der Entwicklungsgespräche am Ende dieses Quartals. Hier reflektieren die Lernenden zusammen mit der Lernberatung ihren Lernprozess in Bezug auf Fachlichkeit, in Bezug auf die Umsetzung, aber eben auch in Bezug darauf, wie sie in dieser Lernanlage zurecht gekommen sind und wie sie sich bezüglich Assistenz und Empowerment selbst entwickelt haben.
Weniger erstaunlich ist, dass viele Lernende eigene Entwicklungsschritte hin zu einer emanzipativeren Betreuungspraxis zum Thema machen, welche Ihnen zuvor nicht bekannt oder nicht bewusst war. Damit übernehmen sie auch neue Anteile nicht nur von Fachwissen in ihre Person, sondern auch von bestimmten Haltungen, welche sie in der Praxis direkt ausprobieren. Die Lernanlage bietet eine Reihe von Möglichkeiten, Kompetenzen, die keine Kompetenzen sind – also vielleicht eher Persönlichkeitsmerkmale oder Charakterstärken – zum Gegenstand der Entwicklung zu machen.
Welche Rolle spielt die Reflexion im Lern- und Entwicklungsprozess?
Das Nachdenken über sich selbst ist für die Lernberatungen von grösster Wichtigkeit wird darin aber auch angeregt, im Sinne einer systemischen Arbeitsweise, welche darauf abzielt, dass die Lernenden sich stärker hinterfragen und über sich und ihr Handeln nachdenken.
Wie kann der Transfer von beruflichen Erfahrungen in den schulischen Kontext gelingen?
Weil die lernenden eher davon ausgehen, wie sie nun dieses Konzept in der Praxis tatsächlich brauchen könnten und konkrete Situationen im Betreuung Alltag analysieren. Kommen diese Praxisbezüge automatisch mit in den Unterricht und werden Teil der Lernberatung. So gesehen findet eigentlich so etwas wie eine Art kollegiale Beratung statt, welche von der Lernberatung noch angeregt wird, wenn Lernende sich in Pier Feedbacks zu ihren einzelnen Situationen austauschen oder sich Rückmeldung geben. So im Sinne von wie machst du das in deinem Ausbildungsbetrieb?
Inwiefern verändert sich die Rolle der Lehrperson in einer lern- und entwicklungsorientierten Umgebung?
Die Rolle der Lehrperson ist zu Beginn dieses Quartals klar die einer klärende Figur, welche die Rahmenbedingungen für diesen Unterricht sehr klar definiert. Bereits mit Einstieg in die Arbeit. Also nach der Eröffnung in den ersten 40 Minuten ändert sich diese Rolle hin zu einer Lernberaterin oder einem Coach. Nicht wegzudenken sind pädagogische Perspektiven, welche hin und wieder gerade für die Begleitung von Jugendlichen, welche mit der Planung der eigenen Arbeit oder dem Zeitmanagement eher Mühe haben auch hin und wieder intervenieren. Den Charakter haben kann. Die Beurteilung der Leistungsnachweise erfolgt als Expertise einer Praxispersonen der Sozialpädagogik, ist also eher gebunden an ganz klare Gütekriterien, weniger an schulische Erfolgskriterien. Anders: Die von der Lernenden gegebenen Antworten und die erstellten Lernnachweise müssen die Güte einer soliden sozialpädagogischen Betreuungspraxis erfüllen und müssen plausibel dargelegt werden. Dann sind sie gewissermassen auch als gut zu bezeichnen oder zu bewerten. In dieser Beurteilungen werden die Lernenden mit einbezogen, weil sie die eigene Leistung anhand der transparenten Gütekriterien selbst beurteilen. Diese Selbsteinschätzung können zusammen mit der Fremdeinschätzung in den Beurteilungsgespräch thematisiert werden.
Welche Instrumente unterstützen die kontinuierliche Dokumentation und Evaluation von Lernfortschritten?
Eine mögliche Vorgabe sind Tools wie OneNote, Craft oder andere digitalen Tools, welche kollaboratives Arbeiten ermöglichen oder zumindest es ermöglichen, dass Lernberatung und Lernende an einem gemeinsamen Dokument arbeiten können oder sich minimal Einsicht gewähren können. Spannend ist eigentlich die Frage, diesen Auftrag – also die Frage, wie die Lernenden das sicherstellen wollen, gleich den Lernenden als Auftrag zu geben: Also wie wollen sie eine geeignete digitale Umgebung schaffen, mit der sie ihren Lernfortschritt also gewissen Massen das Portfolio mit Lernberatung sinnvoll teilen können und den Datenschutz einhalten.
Wie können individuelle Erfahrungswerte der Lernenden gezielt genutzt werden?
Weil die Lernenden sich mit eigenen Praxisprojekten beschäftigen und je stärker dieses diese Praxisprojekte tatsächliche Praxis entsprechen – und nicht etwa erfunden sind – , desto stärker sind die Erfahrungswerte. Das ist der eigentliche Ausgangspunkt für die Vertiefung von Fachwissen und Kompetenzen rund ums Thema Assistenz und Empowerment.
Welche Ressourcen stehen Lehrpersonen zur Verfügung, um dieses Konzept erfolgreich umzusetzen?
Die zeitlichen Ressourcen des geplanten Unterrichtes, welche 30 Lektionen in Anspruch nehmen würde, reichen absolut aus um die individuellen Lernberatungen, die individuellen Lernunterlagen, unterschiedliche Prüfungsversionen und die Entwicklungsgespräche durchzuführen. Eben weil die Lehrpersonen nicht während dieser drei Lektionen pro Berufsschultag im Frontalunterricht oder der Führung der Klasse eingebunden ist, sondern die Zeit für die Lernberatung nutzt, entstehen keine weiteren Notwendigkeiten für zusätzliche Ressourcen.
Wie kann der Einsatz digitaler Werkzeuge in die Lernanlage eingebunden werden?
Kollaboratives Arbeiten, zeit- und ortsunabhängig, ist Voraussetzung für diese Arbeitsweise. Dazu empfehlen sich eine Reihe unterschiedlicher Tools, welche je nach Situation einer Berufsfachschule genutzt werden. Tatsächlich habe ich mich dazu entschieden, die Lernunterlagen auf einer eigenen Webseite bereitzustellen – das ist etwas angenehmer, als der Einsatz einer Lernplattform wie Moodle.
In welchem Umfang trägt die Lernanlage zur Förderung von kritischem Denken und Problemlösekompetenzen bei?
Die Lernenden stehen vor der Herausforderungen, erstens ihr eigenes Lernen zu planen und zweitens eine geeignete Praxissituation zu finden, in welcher sie emanzipierende Formen von Betreuung wahrnehmen können und das Konzept von Theunissen umsetzen können. Damit sind sie schon gefordert, eine Reihe von Problemen zu lösen. Das kritische Denken kann in der Lernberatung angeregt werden, zum Beispiel dann, wenn Lernende gegebene Praxis im sozialpädagogischen Institutionen übernehmen und dies nicht oder wenig mit den emanzipatorische Ansprüchen der Assistenzformen nach Theunissen in Verbindung bringen.
Wie kann die Balance zwischen vorgegebener Theorie und individuellen Lernwegen gewahrt werden?
Die Lernenden arbeiten die Theorie gewissermassen en passent; es ist also nicht so, dass sie zuvor alle Theorie büffeln und dann in eine Umsetzung gehen, sondern während sie in diesem Quartal mit ihren Projekten unterwegs sind müssen sie, je weiter das Projekt voranschreitet, sich mit entsprechender Fachlichkeit auseinandersetzen.
Welche Beispiele aus der Praxis illustrieren den Mehrwert der Entwicklungsorientierten Bildung?
Die Rückmeldung der Lernenden am Ende dieses Quartals, dass sie sich als Fachpersonen aber auch als Menschen innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit entwickelt haben, sind starke Entwicklungszeiger. Dies zeigt sich auch in ihren Screencasts, die meistens sehr komplexe sozialpädagogische Bearbeitungsweisen von Situationen zum Thema machen und diese mit Assistenzformen nach Theunissen und Empowerment verbinden. In diesen Artefakten zeigt sich eindrücklich, wie Lernende sich sehr aktiv auseinandersetzen und selbst eigene Entwicklungsschritte machen können.
Wie kann Peer-Feedback zur Verbesserung des Lernprozesses eingesetzt werden?
Unbedingt! IN den Lernberatungen kann ich Lernende auf andere Lernende verweisen, welche ein Problem oder eine Situation in einer bestimmten Weise bearbeitet haben und so Lerndendennetzwerke mitkreieren, welche den Lernenden helfen, einen bestimmten Schritt weiterzukommen oder eine Idee für eine Lösung eines Problems bei Kolleg:innen zu finden.
Welche Herausforderungen können bei der praktischen Umsetzung des Konzepts auftreten?
Viele. Und laufend. Und genau hierin liegt der Reiz in der Arbeit mit den Lernenden.
Literaturtipp:
Christian, Stalder; Arn, Christof (2025): Entwicklungsorientierte Bildung in der Berufspädagogik. In: Roth, Georg Johannes; Schniertshauer, Martin (Hg.). Praktische Ausbildung in High-Care-Bereichen. Berufspädagogische Anleitung und situationsorientierte Lehre. Kohlhammer. Bestellung: Schweiz | Deutschland.
Arn, Ch., Stalder, Ch. (2023): Was Entwicklungsorientierte Bildung ist. Teil 1: Einführung. In: AOHER Application-oriented Higher Education Research Nr. 3/2023. Ed. by Hefei University Anhui China. ISSN 2096-2045. Veröffentlichung Teil 2 (Charakteristika 6-13)
Arn, Ch., Stalder, Ch. (2023): Was Entwicklungsorientierte Bildung ist. Teil 2: Schlussfolgerung. In: AOHER Application-oriented Higher Education Research Nr. 2/2023. Ed. by Hefei University Anhui China. ISSN 2096-2045.
Arn, C.; Stalder (2023). Was Entwicklungsorientierte Bildung ist. In C.Lackner, H., Cai, J., & Wang, Q. (Hg.). Jahrbuch Angewandte Hochschulbildung 2023: Deutsch-chinesische Perspektiven und Diskurse. Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-47041-0
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