In der Rubrik «#buchfund» werden Bücher vorgestellt und besprochen, welche in irgendeiner Weise das Interesse der #hfab geweckt haben.

Thema

Das «Churermodell», unterdessen weit herum bekannt, ist eine Unterrichtsanlage, welche die Möglichkeit bietet, erfolgreiches und herausforderndes Lernen für alle zu ermöglichen. Das im hep-Verlag veröffentlichte Buch bietet einen Überblick über den aktuellen Stand des Churermodells und dokumentiert dessen Weiterentwicklung.

Autoren

Karin Lutz, M. A. Schulentwicklung, ist Primarlehrerin und Schulleiterin mit Unterrichts- und Führungserfahrung auf allen Stufen der Volksschule. Während ihrer zehnjährigen Tätigkeit als Leiterin einer Gesamtschule mit sechs Klassen in Graubünden hat sie ihren Unterricht kontinuierlich weiterentwickelt und ihren Erfahrungsschatz durch vielfältige Weiterbildungen erweitert. Heute ist sie an der Pädagogischen Hochschule Graubünden für Kurse und Lehrgänge verantwortlich.

Reto Thöny, Fachperson für Unterrichtsentwicklung, ist der Begründer des Churermodells. Er arbeitete von 1980 bis 1999 als Primarlehrer und Methodiklehrer am Bündner Lehrer: innenseminar und war bis zu seiner Pensionierung 2018 Vizedirektor an der Stadtschule Chur. Zudem engagiert er sich als Kursleiter für Weiterbildungen zum Churermodell. Zur Webseite.

Aufbau und Inhalt

Vorwort (S. 7)
Das Vorwort gibt einen ersten Einblick in die Zielsetzung des Buches: eine neue Perspektive auf Lernen und Lehren im 21. Jahrhundert. Es wird die Relevanz eines umfassenden, anpassungsfähigen Bildungsmodells unterstrichen.

1. Einleitung (S. 9–12)
Die Einleitung beschreibt die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels im Bildungssystem. Die Autoren setzen sich mit den Herausforderungen des modernen Lernens auseinander und zeigen, wie das Churermodell als Antwort darauf dienen kann.

2. Das Modell (S. 17–36)
Hier wird das Churermodell detailliert vorgestellt. Nach der theoretischen Verortung werden die vier Elemente, zehn Handlungsfelder und vier Phasen der Öffnung beleuchtet. Der Abschnitt liefert fundierte Argumente, warum es sich lohnt, dieses Modell zu übernehmen.

3. Lernraumgestaltung (S. 41–65)
Die Gestaltung des Lernraums wird als essenzieller Bestandteil des Churermodells betrachtet. Es geht um die Organisation von Schulzimmern, die Einrichtung von Arbeitsplätzen und die Rolle des Wohlbefindens für erfolgreiches Lernen. Praktische Hinweise zur Materialorganisation und Raumgestaltung bieten Inspiration für die Umsetzung.

4. Das Lernen gestalten (S. 67–131)
Dieser umfangreiche Abschnitt widmet sich der Begleitung und Förderung von Lernprozessen. Themen wie die Differenzierung, Bewegungsförderung, Ritualisierung und die Entwicklung eines growth mindset spielen eine zentrale Rolle. Auch die Rolle der Schüler:innen-Partizipation und alternative Bewertungsmethoden werden anschaulich erläutert. Hausaufgaben und Elternarbeit werden kritisch beleuchtet.

5. Die Rolle der Lehrperson (S. 135–146)
Die Lehrperson wird als Schlüsselakteur im Churermodell betrachtet. Die Autoren betonen, wie Haltung und Rollenverständnis den Erfolg des Modells massgeblich beeinflussen

Würdigung

Wie ich das Buch das erste Mal in Händen gehalten habe, hat es mich sofort eingeladen, darin zu blättern: Die vielen wirklich hervorragenden Bilder, die ansprechenden Grafiken und der gut gemachte Satz zeichnen dafür verantwortlich; da haben sich die beiden Unterrichtsentwickler und der Verlag mächtig Mühe gegeben. Eigentlich gehörte sowas in einen festen Einband, finde ich.

Als ich in den 2010er-Jahren die Entwicklungen des Churermodells als Schulsozialarbeiter hautnah miterlebt habe und oft soziales Lernen und Projektarbeiten in dieser Unterrichtsanlage umgesetzt habe, hätte ich nicht gedacht, dass ausserhalb der Churer Stadtschule sich irgendjemand dafür interessieren würde. Was mir aber immer klar war: Die Anlage ist schnell einmal verstanden und bietet Öffnung und Struktur zugleich. Dass der Pädagoge Thöny das Herz am rechten Fleck hat, wusste ich schon immer: In seinen enormen Bemühungen der letzten Jahre und der unablässigen Weiterentwicklung des Modells steckt viel von diesem Menschenfreund!

Vieles von dem, was das Churermodell ausmacht, weiss zu bestechen und wird anderorts schon zur längst thematisiert. Das werde ich hier nicht aufwärmen. Als Schulleiter, Lehrer und Tüftler gefällt mir so schampar daran, dass mit diesem Buch in der Hand, etwas Neugier, klugen Ideen und gekonnten Handgriffen Unterrichtsentwicklung im «eigenen» Schulzimmer, das nun zum Lernraum wird, möglich ist. Also auch da, wo Kolleginnen und Kollegen im Hause oder das ganze Schulhaus nicht mitziehen (wollen). Ja, Churermodell kann ich auch in der getakteten Berufsschule, am Gymi oder an der Fachhochschule umsetzen, das beweisen die vielen Weiterentwicklungen engagierter Lehrpersonen im Feld. Morgen schon die Dinge anders tun – da braucht niemand die nächste Bildungsreform abzuwarten. Natürlich muss damit auch eine Änderung des eigenen Rollenverständnisses einhergehen: das ist der eigentliche Kraftakt! Diesen Rollenänderung fangen Lutz & Thöny gut ein, wenn sie schreiben:

«Insgesamt würden wir die Rolle der Lehrperson im Churermodell als die ein: er Regisseur: in beschreiben, der: die den Akteur: innen Freiheiten innerhalb des Drehbuchs einräumt und Partizipation zulässt. Oder wie Maike Plath, Lehrerin und Buchautorin, dies anlässlich einer Tagung in Chur im November 2023 formulierte: ‹Lehrpersonen sollen sich nicht länger als Opfer eines Systems begreifen, sondern als Akteur: innen der nächsten relevanten Emanzipationsbewegung. Dafür sollten wir uns zusammentun und kooperieren, statt einsam jeden Tag das Unmögliche zu versuchen’» (S. 144).

Da gibt es also nichts an dem Buch herumzumäkeln. Wenn, dann das: Ich würde dem Churermodell, das nun ja als etablierte Unterrichtsanlage breite Anerkennung findet wünschen, dass es einen Blick raus aus dem Stuhlkreis hinein in die weite Welt wagt: so passen Entwicklungsorientierte Bildung und agile Didaktik ganz wunderbar in diese Anlage, welche die eigene Bravheit gar nicht weiter kultivieren muss und Öffnung hin zu «Welt» mutig initiieren darf. Dem Lernen aller zuliebe.

Fazit

Ein Buch für neugierige Menschen, die Lernen im Sinn haben und den Wandel selbst herbeiführen möchten.

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