«Die Entwicklung der Schulen ist seit vielen Jahren durch additive Strategien geprägt», sagt Benedikt Wisniewski. Sieht man ein Problem, so fordert man von Lehrpersonen Zusätzliches. Er schlägt vor, es genau umgekehrt anzupacken. De-Implementierung bedeutet:
Entlastung mit Qualitätssteigerung zu vereinbaren.
Er hat dafür eine bestechende Begründung: All die zusätzlichen Massnahmen, die man angesichts unbefriedigender Pisa-Ergebnisse ergriffen hat, haben nicht zu besseren Leistungsergebnissen der Schüler:innen geführt, im Gegenteil. Gestiegen ist nicht das Lernen der Lernenden (es ist sogar gesunken), hingegen die Arbeitsunfähigkeit von Lehrpersonen auf Grund von psychischen Erkrankungen. Das alles sind Hinweise darauf, dass die additive Strategie «noch ein pädagogisches Konzept, noch ein Schulprogramm, noch eine Massnahme zur Qualitätssteigerung» nicht den Schüler:innen hilft, hingegen die Lehrpersonen belastet. Wisniewski sagt uns damit das, was wir von Lehrpersonen schon seit Jahren immer wieder hören, und das wir manchmal vielleicht als Widerstand von Lehrpersonen gegen Veränderung abtun wollten. Könnten sie aber vielleicht in diesem Punkt recht gehabt haben? Die Forschungsergebnisse und Überlegungen, die Wisniewski uns vorlegt, deuten in diese Richtung. Mit Bezug auf die angespannte Lage betreffend Lehrpersonenmangel fasst Wisniewski zusammen:
Langer Rede kurzer Sinn: Es braucht eine neue Strategie wenn man die Qualität der Schule aufrechterhalten oder sogar steigern will, und dabei nicht auf unbegrenzte Ressourcen zurückgreifen kann.
De-Implementierung ist eine solche Strategie, zu der es bereits erste Publikationen gibt. Die Strategie meint (Zitat):
- Lehrerinnen und Lehrern Zeit zurückzugeben, die sie nutzen können, um sich auf effektives Unterrichten und die Priorisierung der Unterstützung ihrer Schülerinnen und Schülern nutzen können,
- Programme und Initiativen zu entfernen, die geringe, keine oder unerwünscht Effekte haben,
- die Verringerung benötigter materieller, zeitlicher und personeller Ressourcen und
- die Reallokation von Ressourcen hin zu nützlichen Tätigkeiten.
Diese Strategie «ist nicht einfach als reine Kosten oder Ressourcenersparnis im Sinne von ‹machen wir halt einfach weniger› misszuverstehen, weil sie nicht einfach bedeutet, willkürlich weniger zu tun, sondern sorgfältig zu evaluieren, was wirklich effektiv ist und was nicht».
Diesbezüglich nun wartet Wisniewski mit starken Überraschungen auf. Es gibt einiges, das laut Forschungsergebnissen wenig oder nichts zum Lernen der Lernenden beiträgt, und in das Lehrpersonen oft viel und im Grunde eher ungern Zeit und Kraft investieren. Dazu gehören Tätigkeiten, die wir traditionell ganz eng mit Lehrer:in-Sein verbinden. Welche es sind, die wir erstaunlicherweise ganz gut weglassen könnten, ist in seinem Video zu erfahren – und bald in einer Buchpublikation, über die wir hier wieder berichten werden. Nur so viel: Wisniewski sieht schon voraus, dass es ein rechtes Stück Weg sein wird, solche Tätigkeiten aufzugeben oder zu reduzieren. Denn Dinge loszulassen ist, wie wir in unserem eigenen Leben leicht sehen können, oft die grössere Herausforderung, als Dinge hinzuzunehmen. Wisniewski gibt in seinem Video auch dazu Hinweise, was uns auf diesem Weg helfen kann: https://my.hidrive.com/share/g7joouasbz
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