Inspirierende Fundstücke in der Musikdidaktik für gelingendes Mathelernen.
Ein Beitrag von Marion Monhaupt
Die Lernumgebung schafft den Rahmen und bietet den Raum für das Lernen durch Erfahren, Vermitteln, Austauschen und Reflektieren. Hierbei setzen Lehrer mit einer schülerverstehenden Unterrichtsvorbereitung sowie mit einer agilen Lernbegleitung wertvolle Akzente für wirksames Lernen. Elisabeth setzt dazu wie folgt an:
- Zu Beginn frage ich mich, was interessiert mich daran? Wie könnte jede/r Einzelne in Kontakt mit dem Thema kommen? Welche Handlungsspielräume bietet das Thema?
- Es gehört für mich unbedingt dazu, individuelle Zugangswege zu erlauben und Freiräume für die Eigenlogiken der Schüler zu lassen.
- Austauschphasen plane ich immer ein, um zu hören, was die Schüler in Hinblick auf das Thema bewegt.
- Ich plane nur auf Grundlage der vorherigen Stunde. Was hat sich eröffnet? Was wollen die Schüler nun weiter lernen? Ist das, was ich mir grob vorgestellt hatte wirklich dran? Was ist jetzt sinnvollerweise anschlussfähig, was ist relevant?
Traditionell spielt das Thema «Talente» auch im Bildungssystem eine viel zu große und eher nachteilige Rolle. Auch wenn wir heute von Hirnplastizität und individueller Lernentwicklung wissen, so hält sich überholte Talentglaube und angebliches Lernvermögen hartnäckig in den Köpfen. Das muss sich ändern, denn Studien (1) zeigen, dass derartige Vorstellungen falsch sind und das Lernen maßgeblich behindern. Auch in der Musik kennen wir das angebliche «Musik-Talent» und Elisabeth erlebt das wie folgt:
- Musik bietet mir einen persönlichen und damit besonderen Zugang zur Welt und zu mir als Person. In der Schule empfand ich das mal inspirierend und mal nicht störend. Von anderen Personen höre ich oft von der Begeisterung für Musik im Allgemeinen und für Musikmachen, also ein Instrument spielen. Interessanterweise aber auch «ich bin nicht musikalisch» oder «das mit dem Notenlesen habe ich nie verstanden».
- „Talent“ als Begriff nutze ich eigentlich nicht. Leider ist Talent in unserer Lernkultur eine Marke, an der Lernende gemessen werden. Für mich ist es ein statischer und eindimensionaler Begriff: Kann sich Talent entwickeln? Gibt es Talent nur im Singular? Im Musikunterricht würde ich die enorme Vielfalt an musikbezogenem Können/Talent/Entwicklung erlebbar machen, Fähigkeiten entdecken, bewusster machen, einbringen, ausleben und entwickeln.
Diese vier Grundsätze entfalten besondere Kraft gerade vor dem Hintergrund oben aufgegriffener Problemlage: Schule ist der wertvollste Lernraum im Lande, hier sollten Lernende sich gesehen fühlen, lernen Andere zu sehen und sich als Teil der Gemeinschaft erleben, sie sollten verstehend und anregend begleitet und herausgefordert werden, sie sollten eine zielführende Lernhaltung erleben und entwickeln. So müssen wir die vorhandenen Schwierigkeiten beim Mathelernen erkennen, ihre Grundsteine beachten und den Nährboden für gelingendes Mathelernen bereiten.
Im folgenden Schaubild sind wesentliche Aspekte zusammengestellt, die beim Gegensteuern eine maßgebliche Rolle spielen. Im heutigen Dschungel an Informationen, Begrifflichkeiten und Empfehlungen müssen Lernbegleiter eine gemeinsame Vorstellung und Sprache finden, um Schwierigkeiten wie Schieflagen zu adressieren und um den Nährboden für Mathelernen bereiten. Überzeugung und Verantwortung leiten: Kinder können Mathelernen.
Summa summarum, der nötige mathematische Bildungsruck in der Breite braucht Lehrerkollegien vor Ort, die den lokalen Nährboden für Mathelernen bereiten.
Die mathematischen Bildungsdefizite sind akut und fordern die Beteiligten des Bildungssystems. Mathematische Grundbildung prägt kognitive Kompetenzen, die für unser modernes Leben ganz wesentlich sind. Sie sind maßgeblich für Lebenswege Einzelner und auch für die Zukunft unserer Gesellschaft. Die Verantwortung ist klar, Schulen müssen mathematische Verstehensgrundlagen bei ihren Schülern absichern. In der Verantwortung stehen Kultusminister deutschlandweit, Schulbehörden in den Regionen, Schulleitungen und Lehrkollegien in Schulen sowie Lehrkräfte im Klassenzimmer. Ausgangsbasis sind die kompetenzorientierten Bildungspläne, die in allen Bundesländern mit konkretem Bezug auf die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz entstanden sind. Die akute Herausforderung liegt nun in ihrer Umsetzung; diese muss professionell geführt, d.h. gefördert und gefordert werden.
Zurück zum Fokus dieses Textes: Die angebotenen Einblicke über den fachdidaktischen Tellerrand hinaus dürfen Fachlehrer und Lehrerkollegien inspirieren, damit Mathelernen besser und besser gelingen kann. Kollegien sollten sich fragen:
Wie gestalten wir für unsere Schule das tiefe Verstehen von Zahlenraum, Stellenwerten und Operationen? Wie können wir hierzu den fachdidaktischen Austausch oder sogar ein Zusammenspiel verschiedener Fächer nutzbar machen (z.B. Musik, Sport, Kunst)?
Für den Matheunterricht ist entscheidend, dass er «diagnosegeleitet verstehensorientierter» (2) gestaltet wird, so dass es weniger um die Beurteilung (bis hin zur Etikettierung) von Schülern geht, sondern vielmehr um Lernfortschritte und um wirksame Bildung. Innerhalb Schule hat dies differenziert im Matheunterricht und unterstützt durch schulische Förderangebote stattzufinden, außerdem bestenfalls durch schulische, multiprofessionelle Teams (3) (z.B. mit Lerntherapeuten, Logopäden). Sobald Schule im Einzelfall an ihre Grenzen stößt, ist ein qualitätsgesichertes, außerschulisches Netzwerk für Familien hilfreich und wichtig. Kollegien sollten sich fragen:
Wie sichern wir das Gelingen unserer Mathebildung durch Führungswerkzeuge wie Vereinbarung Bildungsziele, Erfassung und Transparenz Bildungsstände, Reflexion Unterrichtsentwicklung etc.?
Der Text möge erstaunen, anregen, neugierig machen und hilfreich sein. Viele Schulen haben sich bereits auf den Weg gemacht. Auch zwischen Schulen kann ein reichhaltiger Austausch stattfinden. Nicht alles auf einmal, zuerst eine Vision und dann Schritt um Schritt in Richtung «Mathelernen geht».
[1] Carol Dweck, diverse Studien über Mindset und Leistung, amerikanische Psychologin an der Stanford University
[2] DZLM Deutsches Zentrum für Lehrkräftebildung Mathematik: MatheInklusiv mit PIKAS, https://pikas-mi.dzlm.de/leitideen, 28.2.22
[3] VBE Bundesverband Bildung und Erziehung: Multiprofessionelle Teams in Schule, https://www.vbe.de/der-vbe/bundesverband/positionen-des-bundesverbandes/multiprofessionelle-teams, 28.2.22
[i] Carol Dweck, diverse Studien über Mindset und Leistung, amerikanische Psychologin an der Stanford University
[ii] DZLM Deutsches Zentrum für Lehrkräftebildung Mathematik: MatheInklusiv mit PIKAS, https://pikas-mi.dzlm.de/leitideen, 28.2.22
[iii] VBE Bundesverband Bildung und Erziehung: Multiprofessionelle Teams in Schule, https://www.vbe.de/der-vbe/bundesverband/positionen-des-bundesverbandes/multiprofessionelle-teams, 28.2.22
Leave A Comment