Ein Beitrag von Peter Fratton
Schule versus Haus des Lernens
Ein Haus des Lernens unterscheidet sich von der Architektur, von der Haltung der agierenden Menschen, der Struktur und der Organisation her von einer üblichen Schule:
Architektonisch sind die Unterschiede augenfällig: Zu Schule gehören Klassenzimmer, Gruppenräume, Fachräume, Lehrerzimmer, Büros. Zu einem Haus des Lernens gehören Imputtheken, Lernateliers, Besprechungsräume, Sprachbar, Marktplatz, Begegnungszonen, Raum der Stille, Forschungsräume, Präsentationszonen, Kunstateliers und Lernmuseum.
Gemeinsame Haltung heisst, dass sich LernpartnerInnen, LernbegleiterInnen, LernhausleiterInnen, MitarbeiterInnen und Eltern einer gemeinsamen Haltung verpflichten, die auf zwei Grundsätzen und vier Regeln aufbaut:
Zwei Grundsätze
- Wir gehen davon aus, dass Lernen eine Existenzform des Menschen ist, dass also jeder Mensch lernt, einfach weil er Mensch ist. Niemand muss „das Lernen lernen“ sondern allenfalls von seinen Lernbeschwerden geheilt werden, die zumeist ungeeignete Umgebungen verursacht haben.
- Wir verpflichten uns der Einsicht, dass in jeder Umgebung das geschieht, was der Umgebung angemessen ist. Wenn Dinge passieren, die wir nicht wollen, z.B. Regeln gebrochen werden oder Respektlosigkeiten geschehen, sehen wir das als Symptom für eine Disfunktionalität im System. Ziel ist dann nicht mehr die rasche Beseitigung von Problemverhalten, sondern die Weiterentwicklung des Lernortes unter geteilter Verantwortung aller Mitglieder im Haus des Lernens.
Vier Regeln
Zur gemeinsamen Haltung gehören vier Regeln:
- Wir gehen respektvoll um mit Menschen, Tieren und Materialien.
- Wir unternehmen alles, dass im Haus des Lernens möglichst alle autonom lernen können. Jeder darf nur bis zu dem Punkt begleitet werden, ab dem er fähig wird, selbst zu denken, selbst zu lernen und selbst zu arbeiten.
- Gemeinsam gestalten wir unsere Umgebung: menschlich, räumlich, organisatorisch und strukturell.
- Und letztlich: Bei allem, was wir tun, sind wir ins Gelingen verliebt. (Ernst Bloch schrieb: Ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern.)
Diese vier Regeln sind unantastbar, d.h. sie sind von allen jederzeit einzuhalten, weshalb wir sie als fraktale Struktur sehen. Ein Fraktal ist ein einfaches Grundmuster, das durch ständige Wiederholung immer neue Formen hervorbringt. Aber die fraktale Ästhetik gibt es nur, wenn dieses Grundmuster nie verändert wird. Diese konsequente Einhaltung gibt nicht nur eine pädagogische Ästhetik, sondern die Regeln emergieren. Es entsteht Gelassenheit, Verständnis, Rücksicht, Toleranz, Zuneigung sowie Lern- und Lebensfreude, um nur einige der Emergenzen zu nennen.
Auf dieser grundlegenden Haltung baut sich ein Haus des Lernens auf, das in seiner Umsetzung überall anders aussehen kann, aber stets die genannten Grundsätze und Regeln umsetzt.
Den ganzen Beitrag finden Sie hier:
Lernen neu denken – das Konzept des autonomen Lernens in einer gestalteten Umgebung. Fratton, P. (2023). In: Burk, W.; Stalder, Ch. (Hrsg). Entwicklungsorientierte Bildung in der Praxis. Beltz, S. 272-242.
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