Inspirierende Fundstücke in der Musikdidaktik für gelingendes Mathelernen.

Teil 1 zur Nachlese hier

Ein Beitrag von Marion Monhaupt

Hindernisse und Schwierigkeiten beim Rechnen bzw. beim Mathe lernen – Ursache können u.a. wirkende Mechanismen der vorherrschenden Fachkultur sein: Überzeugungen davon, was Mathelernen ausmacht bzw. wie Mathe zu lernen ist sowie entsprechende didaktische Ansätze bzw. methodische Ressourcen.

Dr. Elisabeth Theisohn, Professorin für Musikpädagogik an die Hochschule für Musik Karlsruhe, beschrieb ihren Unterricht einmal mit den faszinierenden Worten:

«eigensinnige Lernprozesse und kreative Performanz».

Da fragte ich als Lerntherapeutin genauer nach und es entstand der folgende Austausch: Elisabeth denke ihr Planen und Gestalten und Lehren vom Schüler her, von dessen Interesse, Mitdenken, Mitmachen und Entwickeln her. Es zeigt sich bei diesem Austausch, wie wertvoll ein voneinander sowie miteinander Lernen im professionellen Kollegium sein kann; schon diese Haltung kann viel frischen Wind für gelingendes Mathelernen mit sich bringen.

Musikdidaktik

Mein Zusammentreffen mit Elisabeth fiel in die Zeit ihrer Doktorarbeit. Sie untersuchte an der Hochschule für Musik in Freiburg die Wirkungen von Lernarrangements. Es war derart inspirierend, dass ich umgehend einige Werke der Musikdidaktik recherchierte. Im Sammelband Musiklernen in der Grundschule von Lina Oravec & Anne Weber-Krüger (Hrsg.) fand ich interessante Aussagen wie diese:

  • In der Elementaren Musikpraxis spielen Erfahrungen eine Rolle, «Sensibilisierung», «Exploration – Ausprobieren und Erkunden»,«Wahrnehmen und Erleben» und «Denken und Symbolisieren» (Georg Brunner).
  • Das Finden eigener Lernwege, weil die Strategien und Methoden, die Kinder wählen, um sich Musik selbst beizubringen, gleichwertig aufzufassen sind mit jenen, die Musikpädagogen ersonnen haben. Insofern sind Lehrer immer Teil eines gemeinsamen Verstehensprozesses. Nur so wird die Vielfalt der Zugänge und Wahrnehmungen transparent, die in einer Klasse zusammenkommen. Voraussetzung dafür ist, dass Kommunikation einen zentralen Stellenwert hat. Differenzierung im inklusiven Unterricht hat immer auch etwas mit der Bereitschaft zu tun, Überraschungen über unerwartete Schülerkompetenzen (Bettina Küntzel).
  • Das Gefühl, unmusikalisch zu sein, kann auch Ergebnis der Reaktionen aus der Umgebung in Kindheit und Jugend sein. Lehrern, die wahrnehmen, dass sie unzureichend vorbereitet sind, fehlt das Vertrauen und sie produzieren negative Haltungen gegenüber ihrer Fähigkeit zum Unterrichten von Musik. (Anm.: Nach einer fachlichen Weiterbildung für fachfremd unterrichtende Lehrkräfte gab es ausdrücklich positive Rückmeldungen wie folgende:) Häufig wird ein Staunen über die Vielfalt an Möglichkeiten, Musik aktiv zu lehren, erkennbar («habe ich nicht erwartet», «Neu war, dass Musikunterricht so vielseitig, abwechslungsreich und spannend ist», «ja, ich habe viele Hemmungen verloren») (Gabriele Schellberg).

Praktische Inspiration eines Musikunterrichts

Aber zurück zu Erfahrungen im praktischen Unterricht. Im Austausch mit Elisabeth über ihren Musikunterricht enthüllten sich für mich kraftvolle Grundsätze auch für einen anregenden Matheunterricht. Im Folgenden formuliere ich diese vier Grundsätze auf der Grundlage ihrer jeweils hinführenden Aussagen. In diesem Teil servieren wir die ersten beiden:

I – Der Grundschulunterricht bietet Kindern eine individuelle sowie gemeinschaftliche Möglichkeit, sich selbst und ihre Welt zu erfahren aus vielerlei Perspektiven (Fachrichtungen). Für Elisabeth sieht das im Musikunterricht wie folgt aus:

  • Ich möchte, dass sich Schüler als Musiker wahrnehmen. Musiker zu sein bedeutet, Musik handelnd zu begegnen, egal in welcher Form: hörend, spielend, erfindend, tanzend etc.
  • Im eigenen und gemeinsamen Handeln sollen sich Schüler ihrer musikalischen Erfahrungen, Vorlieben und Handlungsspielräume bewusstwerden und auch Neue für sich eröffnen.
  • Schüler sollen den Unterricht möglichst übernehmen durch ihre Beiträge und Aktivitäten, so dass neue Sichten und Erfahrungen ausgetauscht werden.
  • Kinder brauchen Musikunterricht, um musikalische Erfahrungen sammeln und reflektieren zu können. Ein früher Musikunterricht ist dann sinnvoll, wenn er sich am Erleben orientiert und altersgerecht Reflektieren und Problematisieren eingeübt wird.

Den ersten Punkt oben darf man sich gern übersetzt zu Herzen nehmen: Ich möchte, dass sich Schüler als Mathematiker wahrnehmen. Mathematiker zu sein bedeutet, der Mathematik – den Zahlen, Operatoren, Zusammenhängen, usw. – handelnd zu begegnen, egal in welcher Form: handelnd, spielend, erfindend, experimentierend, etc.

II – Der Grundschullehrer orchestriert den Unterricht im engen Zusammenspiel mit den Schülern und darf sich dabei selbst wahrnehmen als Beobachtender, Lernender und Förderer. Dabei ist er wertvolles Vorbild:

  • Ich lebe eine Unvoreingenommenheit, d.h. meine Perspektive gilt als eine mögliche Perspektive auf das Thema und ich biete verlässliche Offenohrigkeit für andere Perspektiven.
  • Meine Haltung «selbst lernen zu wollen» macht mich zum Teil des Miteinanders.
  • Für den Austausch über Handlungen und Perspektiven biete ich eine bereichernde Reibungsfläche, bringe Begeisterung für die Sache mit und schaffe Raum durch unterschiedliche Lern- und Gesprächsphasen.
  • Ich beobachte vor allem die Unterschiedlichkeiten in Ideen zu Annäherung und Umgang mit dem Thema, in der Motivation, aber auch wie sich Schüler ihren Mitschüler mitteilen können, ob jede/r frei im Handeln und Denken ist, und ob eine neue Seite entdeckt werden kann.
  • Und, kurz gesagt: Was sind Fehler denn überhaupt? Es ist am wichtigsten wertschätzend, ich-bezogen und prospektiv (also nach Vorn gerichtet) mit den Kindern zu arbeiten.