Der achte Punkt der Liste der 13 Charakteristika! Entwicklungsorientierte Bildung ist, …
… wenn schwerlich ein »Workload« angegeben werden kann.
Kurz erklärt:
- Für die Erlangung von Kompetenzen kann typischerweise ein ungefährer Zeitaufwand (»Workload«) angegeben werden.
- Für Entwicklungsprozesse ist das eher nicht in der gleichen Art möglich.
Etwas ausführlicher:
Für die Kompetenz Kuchen für Kindergeburtstage backen können (und auch dafür braucht es ein Stück »Theorie«) oder erklären zu können, was Ethik ist, lässt sich ein einigermassen passender Workload angeben. Einen solchen angeben zu können, darauf stützt sich das Bildungssystem aktuell sehr stark ab. Denn auch das hilft, einen Studiengang als ein filigranes Gefüge von Kompetenzen bzw. Kompetenzaufbauprozessen zu ordnen. Es hilft auch abzuschätzen, ob ein Lehrplan für die Volksschule überladen, zu dünn oder im Grossen und Ganzen von der Menge her passend ist oder sein könnte.
Die Frage des Workloads stellt sich anders, wenn es etwa um »kritisches Denken« geht. Man kann nicht sagen: »Mit soundso viel Stunden Präsenzunterricht und soundso viel Stunden Selbstlernen erwirbt ein Mensch die Fähigkeit, kritisch zu denken.« Oder: »Mit soundso viel Stunden Präsenzunterricht und soundso viel Stunden Selbstlernen wird eine Person zu einem richtig kreativen Menschen.« Das ist nun mal anders als beim Kuchenbacken oder beim Ethikerklären. Zugleich ist sehr deutlich, dass Unterricht, dass Bildung kritisches Denken, Kreativität, Tugenden usw. fördern kann – und auch soll.
Für die Bildungsarbeit bedeutet das:
Dass es sich lohnt, Entwicklung und Kompetenz z.B. in Modulbeschrieben oder Lehrplänen voneinander zu unterscheiden. Mit Entwicklung kann man sogar umgekehrt vorgehen: Man kann einen Workload definieren, der in ein bestimmtes Entwicklungsthema investiert werden soll und Lehrende – und letztlich die Lernenden – dabei unterstützen, diese Zeit dafür möglichst geschickt einzusetzen. Genau andersherum als bei den Kompetenzen! Also:
- Bei den Kompetenzen das Ziel definieren, um dann zu überlegen, wie viel Workload es braucht.
- Bei der Entwicklung das Thema bzw. den Entwicklungsbereich benennen, der im Kontext einer Schulstufe oder eines Studiengangs für mitrelevant gehalten wird und einen bestimmten Workload dafür reservieren, um dann zu erleben, wie viel Entwicklung bei den Lernenden – und Lehrenden! – individuell in diesem Zeitraum stattfindet.
Das impliziert schon, dass diese Entwicklung nicht abschliessend sein kann: Dass Entwicklung eher durch eine Richtung als durch einen definierten Endpunkt beschrieben werden kann und dass die Workloadfrage sich hier anders stellt, gehört zusammen.
PS: Die Grundlagen zu diesem Blogbeitrag stehen im Buch «Entwicklungsorientierte Bildung – ein Paradigmenwechsel». Der brandneue Text Was Entwicklungsorientierte Bildung ist erläutert 13 Charakteristika dieses Paradigmas.
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