Der sechste Punkt der Liste der 13 Charakteristika! Entwicklungsorientierte Bildung ist, …
…wenn der Vergleich mit sich wichtiger ist als derjenige mit anderen oder mit Standards.
Kurz erklärt:
- Entwicklung meint stets, einen eigenen Weg zu gehen. Dies bewusst zu tun heisst, sich mit sich selbst zu vergleichen, mehr als mit anderen.
- Lernen und Entwicklung sucht Passung zum Jetzt und zur Person.
- Entwicklungsorientiertes Lernen und Lehren braucht polykontexturale Denkweisen.
Etwas ausführlicher:
Cum grano salis liesse sich ein äusseres und ein inneres Lehrverständnis unterscheiden. Während das äussere Lehrverständnis darauf zielt, durch vorzeigen und nachmachen Lernen zu initiieren, und damit Standards benötigt, zielt das innere Lehrverständnis auf innere Entwicklung: einen systeminternen Vorgang des Menschen, der nicht standardisiert werden kann, zu dem eher Passung gesucht und gefunden werden muss.
So gesehen wird Lernenden nichts von aussen beigebracht, sondern eher nahegebracht. Und es kann gemeinsam erforscht werden, was sich denn verändert, wie sich da was entwickelt.
Und: Dass Bildungsorganisationen mitsamt ihren Rahmenbedingungen und Strukturen auf Lehrende und Lernende wirken und so Bildungsgeschehen z.B. via Standards und Vorgaben massgeblich prägen, ist klar: Pädagogik ist immer eingebettet in ein geschichtlich-gesellschaftliches Umfeld. Den Rahmenbedingungen zum Trotz: Man kann in der eigenen Lehre und der Begleitung von Lernenden das eine tun und doch das andere nicht lassen – etwa Standards nutzen, um eigene Entwicklung zu beobachten. Sowohl individuelle Entwicklung als auch Einhaltung des Curriculums sind gleichzeitig möglich. Den Gedanken noch weiterentwickelt: In bestehenden Rahmenbedingungen Bildungspraxis ändern, Unterricht in unterschiedlichen Kontexturen gestalten und die Welt nicht binär denken: Entwicklungsorientiertes Lehren und Lernen braucht polykontexturale Denkweisen (vgl. Woodtli, 2013).
Für die Bildungsarbeit bedeutet das:
Zunächst mal eine grosse Chance und die Abkehr von Übersteuerung durch Vorgaben («Micromanagement» in der Bildung) von aussen. Interessanterweise ist der Vergleich mit sich selbst sogar für wissens- und kompetenzorientierte Bildung produktiver als der Vergleich mit anderen bzw. mit Standards (vgl. Martin, 2013). Dennoch wurde bzw. wird kompetenzorientierte Bildung und noch mehr wissensorientierte Bildung stark standardorientiert (enge Verwendung von Lehrplänen und Lehrmitteln) gelebt. Dies ist für Entwicklungsorientierte Bildung so nicht mehr möglich. Ansätze wie lehrmittelfreier Unterricht, dialogisches Lernen, agile Didaktik usw. (siehe PS gewinnen an Bedeutung bzw. werden in der einen oder anderen Form sogar unverzichtbar.
PS: Linkliste:
Achim Arn, White Paper Teaching – gemeinsam leben & lernen (Seite 244-261).
Ruf & Ruf-Bräker: Dialogisches Lernen motiviert
Christof Arn, Agile Didaktik – Materialien und Links zum Thema
PPS: Die Grundlagen zu diesem Blogbeitrag stehen im Buch «Entwicklungsorientierte Bildung – ein Paradigmenwechsel». Der brandneue Text Was Entwicklungsorientierte Bildung ist erläutert 13 Charakteristika dieses Paradigmas.
Quellen:
Martin, A.J. (2013). Goal Setting and Personal Best Goals. In: Hattie J. & Anderman E.M. (Hrsg.): International Guide to Student Achievment, S. 382–384. Routledge.
Woodtli, M. (2014). Mehr mehrdimensional Lernen, weniger binär denken [Audio-Podcast]. In edukativ.fm – im Sprechsaal mit Jöran. https://edukativ.fm. Zugegriffen: 25.01.2023
Leave A Comment