In der Rubrik «#buchfund» werden Bücher vorgestellt und besprochen, welche in irgendeiner Weise das Interesse der #hfab geweckt haben.

Thema

Der fünfte Band aus der Reihe Psychologie im Schulalltag vermittelt kompakt und verständlich aktuelles Grundlagenwissen zu Ursachen, Erscheinungsbildern und Folgen von sozialen Ängsten. Neben Behandlungsmöglichkeiten werden praktische Hilfestellungen aufgezeigt, um Betroffene im schulischen Kontext zu unterstützen und zu fördern. Im Anhang werden Arbeitsmaterialien für Lehrkräfte zur Verfügung gestellt.

Autor:innen

Prof. Dr. Julia Asbrand, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychologie und -psychotherapie an der HU Berlin.

Dr. Hendrik Büch, Ambulanzleitung am Freiburger Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

Prof. Dr. Julian Schmitz, Professor für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Leipzig.

Aufbau und Inhalt

Das übersichtliche Buch ist in sieben Kapitel gegliedert. Kapitel 1 stellt strukturiert drei Fallbeispiele aus dem Schulalltag vor. Kapitel 2 erfasst das Phänomen der sozialen Angst, klärt Begriffe, Abgrenzungen, Häufigkeit und Komorbidität. In Kapitel 3 werden Ursachen umfangreich geschildert und werden Bezüge zu den vorgestellten Fallbeispielen hergestellt. Kapitel 4 widmet sich den Folgen von soziale Ängsten u.a. auch mit Blick auf die Entwicklung und Entwicklungsaufgaben von Kindern und Jugendlichen, Kapitel 5 zeigt Möglichkeiten der Diagnose. Kapitel 6 formuliert schulzentrierte Massnahmen zur Unterstützung und Begleitung sozial ängstlicher Kinder. Die Relevanz sozialer Ängste im Schulkontext, Möglichkeiten der (externen) Unterstützung und Erwartungen und Entwicklungen werden in Kapitel 7 abgebildet.

Diskussion

Bei einer Häufigkeit von etwa 12 Prozent bei Kindern und Jugendlichen dürfte das Problem der sozialen Angst an jede Schulzimmer klopfen, wird aber dennoch häufig nicht erkannt. Mehr noch: Soziale Angst in Performanzsituationen und in der Interaktion mit Peers wirkt sich auf den Schulerfolg und damit die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen negativ aus, zeigt sich zudem in Gruppen mit niedrigem sozioökonomischem Status häufiger. Wie aber zeigt sich soziale Angst, wie lässt es sich beobachten und was können Lehrpersonen, Schulleiter:innen, Schulsozialarbeitende tun, wenn sie damit konfrontiert sind?

Asbrand, Büch & Schmitz übertragen neueste Erkenntnisse der Psychotherapie in ein, wie ich finde, ausgesprochen lesefreundliches Buch: Die fachlichen Ausführungen sind sehr verständlich formuliert, das Phänomen wird über die Fallbeispiele aus der Praxis heraus beschrieben und die Inhalte erschliessen sich Lesenden schnell. Das hängt zum einen mit der sprachlichen Gestaltung zusammen, zum anderen mit einer sehr geschickten Leseführung, ansprechenden Grafiken und klug gewählten Hervorhebungen wie «Merke» oder «Wichtig für den Schulalltag»; ich habe mir gar den Spass erlaubt, in einem Lesegang nur die Hervorhebungen und Zusammenfassungen zu lesen – pure Lesefreude!

Bei aller Zugänglichkeit schaffen die Autor:innen ein solides fachliches Fundament und bieten echte Praxishilfen für jene Fachpersonen, welche in der Schule tagtäglich mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten. Und sie übersehen die wichtige Kooperation an der Schnittstelle Schule – Therapie keineswegs und sind sehr klar in Ihren Hinweisen bezüglich der Grenzen schulischer Intervention.

Das Buch «möchte dazu beitragen, soziale Ängste im schulischen Kontext zu erkennen und einzuordnen» (Asbrand, Büch & Schmitz 2022, S. 111): Den Beitrag als übersichtliches, alltagstaugliches Fachbuch und Nachschlagewerk dürfte der Veröffentlichung gelungen sein. Gleichzeitig reiht sich das Anliegen der drei Fachpersonen in eine lange Reihe von Anliegen und wohl auch Anforderungen an die öffentliche Schule ein, welche letztlich viel mit pädagogischer Haltung, Persönlichkeitsbildung und einem Blick für individuelle Entwicklungen von Kindern und Jugendlichen (nicht Schülerinnen und Schülern!) zu tun haben. Die konkreten Hinweise im Buch liefern – und das freut mich – auch Hinweise zu ganz konkretem, sozialpädagogischem Tagewerk in ganz konkreten Situationen: dann, wenn Jonas beim Aufsagen eines Textes diesen vergisst, dann wenn Lena nicht recht weiss, wie sie auf andere Jugendliche zugehen soll oder dann, wenn Marissa die Schule wechselt und am neuen Ort nicht recht ankommen will. Die praxisnahen Gestaltungsideen bleiben gerade im Bereich von Training sozialer Kompetenzen teilweise etwas oberflächlich, müssen aber sowieso in der Praxis mit Passung auf Fachpersonen, Kinder und Jugendliche eigenständig entwickelt werden. Vielleicht gelingt es den Autor:innen in der neuen Auflage, Links zu passenden Programmen anzugeben, welche sie überzeugend finden.

Fazit

Ein wirklich gutes Fachbuch zu einem zentralen schul- und sozialpädagogischen Thema, das etwas mehr Aufmerksamkeit nötig hat und – um die Ecke gedacht –  vielleicht gerade deshalb Ausgangspunkt für neue Schulpraxis werden kann.

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