Wer verbirgt sich eigentlich hinter dem zeichnenden Otto Kraz auf diesem Blog?
Den Namen Otto Kraz habe ich während einer zweistündigen Physikklausur 2013 erfunden – bei meinen Schüler:innen qualmten die Synapsen, ich hatte also Zeit und einen Laptop auf demLehrerpult. Ich suchte nach einem Namen, den es noch nicht im Netz gab. Und der mir gefiel. Damals war ich noch arbeitender Gymnasiallehrer und Schulentwickler an einem großen südbadischen Landgymnasium – und wir (ein kleines Schulentwicklungsteam) setzten uns mit dem
Thema «eigene Online-Lektionen erstellen» auseinander, indem wir im Netz eine fiktive Laborschule im fiktiven Weit im Winkl gründeten. Jede:r war fiktiv Gründungsdirektor:in dieser Schule, gab sich einen fiktiven Namen und experimentierte mit eigenen Lektionen. Unsere reale Schule hieß Faust-Gymnasium, unsere Webadresse war deshalb mit aufeigenefaust.com folgerichtig. Denn es ging uns ja um individualisiertes eigenständiges Lernen mit Hilfe von selbst
entwickelten Unterrichtseinheiten. Meine Online-Physikabteilung steht noch heute.
Die Schule beim Träumen neu erfinden
Unsere pädagogischen Konzepte und Träume haben wir damals Stück für Stück in unsere Laborschule übertragen: Dort konnten wir ja schalten und walten, wie wir wollten, Geld spielte keine Rolle und wir waren allein schon durch die Story der Schule komplett ohne Schulaufsicht. Eine Zukunftswerkstatt pur. Während man uns in der Realität immer mehr Stunden für ausserunterrichtliche Aktivitäten zusammenstrich, tat es richtig gut, zumindest in unseren Träumen
Schule neu zu erfinden. Ich kann es nur jedem Lehrenden empfehlen: Schnapp dir ein Team und bau dir eine fiktive Schule. Gutes Projekt. Und wenn du dich in einer 9. Klasse quälst, weil du das Gefühl hast, dass der Lehrplan und dein Unterricht im Moment komplett an den meisten deiner Schüler:innen
vorbeischrammt, dann schick sie doch im Kopf einfach arbeiten – in eurem Weit im Winkl. Ich habe das damals so gemacht. Ja damals hat mir das gut getan, aber witzigerweise auch meinen Neuntklässler:innen, als ich es ihnen erzählte. Dass sie sich in Weit im Winkl nicht mit dem Ohm’schen Gesetz herumschlagen
müssten, sondern in ihrer Klassenstufe ihr Schulgeld verdienen würden. Durch professionelle Arbeit außerhalb der Schule. Und wer nach einem Jahr wieder zurückkommen wolle, um Ohm zu lernen, der dürfe das gerne tun. Freiwillig und mit erhöhter Lern-Energie. Aber man könnte auch nach dem Jahr merken, dass ein anderer Weg der bessere für einen selbst wäre.
«In Weit im Winkl hättest du damit jetzt kein Problem»
Das war oft meine Antwort, wenn Schüler:innen zu mir in die Beratung kamen. Ich wollte ihnen damit klarmachen, dass die meisten Schulprobleme vom Schulsystem bedingt sind und dass sie Schulprobleme deshalb bitte nie persönlich nehmen sollten. Das half nur bedingt, aber immerhin, es half ein wenig. Der Satz konnte Probleme relativieren. Meine eigenen Schüler:innen kannten Weit im Winkl und wenn manchmal auch Schüler:innen meinten, in Weit im Winkl würde das aber jetzt anders laufen, war ich hochzufrieden mit dieser fiktiven Laborschule. Den Otto Kraz, Physiklehrer in Weit im Winkl, den habe ich mit in die Pensionierung genommen. Er ist mir irgendwie ans Herz gewachsen. Als Lehrer habe ich meinen Schüler:innen sehr häufig meine Vorstellungen von effektivem Lernen und dem eigentlich ja großartigen Lebensraum Schule als Bilder in Kreide an die Tafel gekritzelt… Damit ich weniger dazu sagen musste. Denn das war in den allermeisten Feedbackbogen immer zu lesen: «Soweit alles ok, aber Sie reden zu viel». Ja stimmte schon, ich wollte einfach neben meinem Mathe- und Physikunterricht die wirklich wesentlichen Themen in den Synapsen der Schüler:innenhirne zur weiteren Verarbeitung ablegen. Mit Zeichnungen musste ich zumindest weniger erzählen – auch diese Angewohnheit habe ich mit in die Pensionierung genommen.
Krazeln in Sachen Pädagogik & Co
Und so krazelt heutzutage der Otto Kraz in Sachen Pädagogik & Co, weil mein Interesse als Vierfach-Opa noch immer am Thema Schulkultur hängt. Sich nur über Lehrer:innen der eigenen Enkelkinder aufzuregen, nervt. Ich weiß ja, dass es viel mehr das System Schule ist, das sich einem Paradigmenwechsel unterziehen muss.
In diesem Sinne zeichne ich also für diesen Blog der HfaB. Das Erzählen übernehmen die Autor:innen, cc by ottokraz bedeutet: Man muss bei Ottos Krazeleien nicht nachfragen, man darf sie selbst weiterverwenden und weiter ausbauen.
Herzliche Grüsse
Heinz Bayer
PS: Und wer Lust hat, eigene Aha-Momente von Otto Kraz visualisiert zu bekommen, der kann dies am 11. Mai an unserer Online-Veranstaltung zum Thema entwicklungsorientierte Bildung ausprobieren. Jetzt kostenlos anmelden!
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